Die kommenden autonomen Autos sind auf alle möglichen Informationen angewiesen. Eine ganz neue Generation von Hightech-Reifen zollt dieser Anforderung Tribut: Intelligente Reifen für intelligente Autos.
Neben dieser Technik sehen die bisher üblichen Reifendruckkontrollsysteme (RDKS) alt aus, denn die neuartigen Autoreifen bieten viele zusätzliche Informationen wie etwa die Zuladung, Temperatur, Profiltiefe oder sogar Details zum Straßenbelag.
Zunehmend komplexe Fahrzeugsteuerungssysteme brauchen Reifen, die in Echtzeit eine Vielzahl von Daten liefern – wie Profiltiefe, Reifendruck oder auch den Zustand der Straße.
Matt Ross, Herausgeber von Tire Technology International
Hankook zeigt auf der Essen Motor Show Konzeptreifen
Seit seiner Gründung im Jahr 1941 hat sich das südkoreanische Unternehmen Hankook einen Namen gemacht. Die Marke gehört heute zu den größten Herstellern für Reifen und verkauft seine Pneus auf Märkten in aller Welt. Damit das so bleibt, hat die Firma zu einem Innovationsprojekt aufgerufen. Dabei kamen zwei Reifenkonzepte heraus, die auf der Essen Motor Show zu sehen sind.
Der “Hexonic” ist ein Pneu für autonome Sharing-Fahrzeuge. Im Vordergrund steht also ein erhöhter Fahrkomfort. Den soll der Reifen durch eine künstliche Intelligenz erreichen. Sieben Sensoren erfassen die Fahrbahn. Aufgrund der erhobenen Daten stellt die KI dann die Reifenlauffläche passend ein. Im Idealfall sorgt das immer für den perfekten Grip.
Statt für öffentliche Straßen ist der “Aeroflow” für die Rennstrecke gedacht. Der Reifen besteht aus trennbaren Laufflächen, die auf Haftung optimiert sind. Zwischen ihnen soll Luft strömen, die durch Turbinen läuft. Sie sorgen für zusätzlichen Abtrieb. Natürlich funktioniert das nur dann besonders gut, wenn der Rennwagen keine Radabdeckung besitzt.
Es ist eher unwahrscheinlich, dass es die Konzepte in absehbarer Zeit zur Serienreife bringen. Doch Hankook will die Pneus in den kommenden Jahren auf zahlreichen Automobilmessen ausstellen – und jungen Talenten so einen Anreiz für eigene Entwicklungen geben.
Hightech-Reifen statt Reifendrucksensoren
Das Start-up Tyrata aus North Carolina etwa hat günstige Sensoren entwickelt, die sich in Reifen verarbeiten lassen und dann ständig die Profiltiefe messen. Die großen Reifenhersteller überlassen den Trend aber keinesfalls Start-ups und universitären Entwicklerteams.
Schlechte Reifenprofile gehören mit zu den häufigsten Unfallursachen.
Aaron Franklin, Gründer von Tyrata
Pirelli und Goodyear: Auch die großen Player mischen mit
So hat Pirelli im März 2018 sein „Cyber Car System“ vorgestellt. Die Reifen liefern hier eine Menge Daten an die Smartphone-App Pirelli Connesso. Reifendruck, Temperatur, vertikale Belastung, Informationen zur Abnutzung und natürlich die Reifen-ID – dazu gehören der Typ, die Größe und das Herstellungsdatum.
Nicht nur, dass hier niemand mehr auf dem Boden knien und nach der DOT-Nummer suchen muss. Eine Cloud-basierte Verbindung könnte zukünftig den Pannendienst alarmieren, der dann zum Einsatz direkt mit dem passenden Reifen kommt.
Pirelli Connesso und die zugehörigen Reifen sind seit Anfang 2018 in den USA erhältlich. Einige europäische Länder sollen noch in diesem Jahr folgen, bevor der Marktstart in China für Anfang 2019 auf der Roadmap steht.
Auch Goodyear stellte schon 2017 auf dem Genfer Autosalon einen neuen Prototyp vor. Der Eagle 360 Urban kommt aus dem 3D-Drucker und sieht nicht nur futuristisch aus. Das Unternehmen will den intelligente Reifen mit einer Reihe von Sensoren ausstatten, um den eigenen Zustand zu überwachen und Informationen über Umgebung und Straßenbelag zu liefern. Eingebaute Geber sollen sogar dafür sorgen, dass sich die Profilform verändert, um sich dem Zustand der Straße anzupassen.
Luftlose Reifen für intelligente Autos?
Bridgestone und auch Michelin gehen ganz andere Wege: mit luftlosen Reifen. Bridgestone hatte 2011 die luftlosen Reifen „Air Free Concept“ vorgestellt. Ab 2019 sollen die offenen Reifen mit flexiblen Kunststoffspeichen auf den Markt – zumindest als Fahrradreifen. Das System soll übrigens völlig wartungsfrei sein.
Autofahrer könnten sich mit der Akzeptanz von luftlosen Reifen schwerer tun, weil sie härter sind als konventionelle Pneus.
Yuichi Soejima, ein Bridgestone Pressesprecher
Und auch das Konzept von Michelin ist mittlerweile marktreif – allerdings nur für Baustellenfahrzeuge. Bereits 2006 hatte der französische Reifenhersteller den Konzeptreifen "Tweel" vorgestellt. Der Reifen ist luftlos und angeblich völlig pannensicher.
Pannensichere und wartungsfreie Reifen wären sicher interessant für autonome Autos. Denn so wäre die ganze Sensorik überflüssig, die Mitbewerber in ihre intelligenten Reifen stecken. Trotzdem schätzt Bridgestone selbst, dass es noch ein weiter Weg ist, bevor ihre „Air Free Concept“-Reifen den Pkw-Markt erreichen.