Digitalisierung schafft Lebensqualität
Die Prognose der Experten ist eindeutig: Die Stadt, wie wir sie heute kennen, wird es bald nicht mehr geben – und davon werden wir alle profitieren. Klar, auch in Zukunft werden Menschen noch immer horizontale Stockwerke zum Leben und Arbeiten brauchen, vertikale Wände, um Räume voneinander zu trennen und geschlossene Objekte, um sich von der Außenwelt zu schützen. Doch Architekten wie der Italiener Carlo Ratti (46) glauben, dass sich die menschliche Wahrnehmung in der Stadt der Zukunft verändern wird: Durch Entwicklungen wie Mobility on Demand, also immer bei Bedarf verfügbare Mobilität, werden wir unser städtisches Umfeld radikal anders erleben.
Ratti ist Leiter des Senseable City Lab am Massachusetts Institut of Technology (MIT) und erforscht seit Jahren die Mobilität in jeder Form. Er prophezeit:
- die Digitalisierung von Mobilität wird zu mehr Lebensqualität führen
- eine vernetzte Verkehrsinfrastruktur senkt das Stresslevel von Autofahrern rapide
- Ampeln werden überflüssig, Stau gehört endlich der Vergangenheit an
- durch die bessere Vernetzung von Mobilitätsdiensten werden nur noch 20 Prozent der heute vorhandenen Autos unterwegs sein
Die Zukunft lässt sich schon heute besichtigen
Wer wissen will, wie die Stadt der Zukunft aussieht, kann sie schon heute besichtigen. Der Modellstadtteil Vauban im baden-württembergischen Freiburg ist zwar noch nicht am Ziel angekommen und noch nicht so vernetzt, aber immerhin schon einen entscheidenden Schritt voraus: Auf einem ehemaligen Kasernenareal im Süden Freiburgs wurde zum ersten Mal großflächig energieffizient, sozial und nach neuen Vorstellungen von Mobilität gebaut. Was einst von französischen Streitkräften genutzt wurde, ist heute zu einem attraktiven und familienfreundlichen Stadtteil für rund 5.500 Einwohner geworden. Das weckt auch Interesse im Umland: Gerade mal drei Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, lockt Vauban jährlich rund 30.000 Fachbesucher aus ganz Deutschland an, darunter vor allem Architekten und Stadtplaner, die sich für die zukunftsorientierte Art des Bauens interessieren.
Leben, wohnen, arbeiten - rund 41 Hektar misst das neue Quartier, in dem es vor allem um Nachhaltigkeit geht. Niedrigenergiebauweise ist verpflichtend, der Einsatz von Solartechnik, Passivbauweise und Plusenergiebauweise für die meisten Bürger Standard. Die Infrastruktur und das Mobilitätsangebot sind aufeinander angepasst: Mit der privaten Erschließung auf dem Areal ist auch die Infrastruktur mit einer Schule, Kindergärten, Jugendeinrichtungen, einer bürgerlichen Begegnungsstätte, einem Marktplatz sowie verschiedenen Freizeit- und Spielflächen entstanden. Das Wohngebiet ist durch die Straßenbahn erschlossen. Zahlreiche Car-Sharing-Angebote wurden in Vauban in den frühen Planungsphasen gleich mit implementiert. Wer trotzdem ein Auto hat, stellt es in einer der beiden Quartiers-Solargaragen ab. Sie erzeugen pro Jahr 81 Megawattstunden - das entspricht dem durchschnittlichen Energieverbrauch von rund 25 Zwei-Personen-Haushalten pro Jahr.
Nachhaltigkeit verändert auch die Menschen
Diese Nachhaltigkeit verändert nicht nur die Stadt, sondern auch die Menschen, die in ihr eben. Der Apotheker Jörg Weitbrecht sagt: „Im Vergleich zu den anderen Stadtteilen ist das Arbeiten in dieser Apotheke besonders spannend, weil die Menschen hier einfach anders sind als die übliche Bevölkerung. Sie wirken unbeschwerter."